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Kein Erfolg beim Strukturwandel: Landesregierung verschläft die Entwicklung von Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen

Ausgangslage

Ein aktueller Artikel der Landtagsfraktion der nordrhein-westfälischen SPD resümiert hinsichtlich der Wirtschaftslage in Nordrhein-Westfalen: „Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik setzt auf Innovation, Zukunftsindustrien und Gute Arbeit. Es gibt noch viel tun, doch die Erfolge sind nicht mehr zu übersehen. Das britische ‚Foreign Direct Investment Magazine‘ suchte in einer Studie nach der ökonomischen Zukunftsregion in Europa. Die Nummer 1 ist weder London noch Paris, weder die Schweiz noch Schottland. Die Zukunftsregion Nummer 1 ist Nordrhein-Westfalen.“ (Rechtschreibfehler und vergessenes Wort im Ursprungszitat)

Fakt ist:

Die Behauptung, dass Nordrhein-Westfalen dem Ranking auf Platz 1 der ökonomischen Zukunftsregionen in Europa vor London, Paris und der Schweiz abgeschnitten habe, ist falsch. Tatsächlich unterscheidet das genannte Magazin bei seiner Studie zwischen Städten und Regionen. In der Kategorie „Städte“ ist London auf Platz 1 und Paris auf Platz 2. Die Schweiz wurde als Land bei keinem der Rankings berücksichtigt. In der Kategorie „Regionen“ wurde Nordrhein-Westfalen tatsächlich auf Platz 1 bewertet – das freut uns sehr. Allerdings sagt diese Bewertung Nordrhein-Westfalens nichts über angeblichen Erfolge der Landesregierung beim Strukturwandel aus.

Zu der von der SPD zitierten Studie gehören auch Einzelrankings zu bestimmten Themen. Beim „wirtschaftlichen Potential“ der Regionen Europas bleibt Nordrhein-Westfalen beispielsweise zwei Plätze hinter Baden-Württemberg zurück. Beim Thema „Geschäftsfreundlichkeit“ verliert Nordrhein-Westfalen zwei Plätze zu 2014 und fällt auf Platz sechs zurück. Beim Thema „Kosteneffektivität“ ist keine deutsche Region in den Top 10. Punkten kann Nordrhein-Westfalen vor allem bei „Humankapital und Lifestyle“ und „Konnektivität“.

Eine Umfrage von Ernst & Young, die im Frühjahr 2015 von einem unabhängigen französischen Marktforschungsinstitut durchgeführt wurde, legt die Schwächen bei der wirtschaftlichen Entwicklung offen. Fast jeder Dritte ausländische Investor (31 Prozent) findet Bayern besonders attraktiv für eine Unternehmensansiedlung. Jeder fünfte nennt in der Umfrage Berlin (19 Prozent), aber nur jeder 20. Investor (6 Prozent) bezeichnet Nordrhein-Westfalen als attraktiven Ort für eine Unternehmensansiedlung. Noch deutlicher wird die Sichtweise auf Nordrhein-Westfalen bei den Investoren, die bisher noch nicht in Deutschland aktiv sind. Hier halten immerhin noch 17 Prozent Bayern für den attraktivsten Standort  (hinter Berlin und Hamburg) – Nordrhein-Westfalen wird überhaupt nicht genannt!

Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, in der Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität in allen 402 Städten und Kreises Deutschlands verglichen wird, gibt einen noch differenzierteren Blick auf die Lage Nordrhein-Westfalens: Von den schlechtesten zehn Städten und Kreisen Deutschlands sind alleine fünf aus dem Ruhrgebiet: Duisburg ist Letzter, Gelsenkirchen Vorletzter. Dazu kommen Herne, Oberhausen und Hamm. Die Stadt Dortmund liegt auf dem 387. Platz. „Gründe für die Probleme an der Ruhr sehen die Studienautoren im zu geringen Transfer zwischen Wissenschaft und Unternehmen. […] Der Ruhrwirtschaft fehle es zudem an Innovationskraft. Bei der Vernetzung von Produktion und Digitalisierung, der ‚Industrie 4.0‘, laufe das Revier anderen Regionen hinterher.“

89 der 100 bestplatzierten Standorte befinden sich in Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen. Mit Düsseldorf hat es auf Platz 75 nur eine Kommune aus Nordrhein-Westfalen in die Top 100 geschafft. Besonders der Vergleich zum Jahr 2014 ist erschreckend: Vor zwei Jahren war noch keine nordrhein-westfälische Kommune unter den schlechtesten zehn, dafür aber drei in den Top 100. Nur sechs Kommunen konnten sich gegenüber 2014 verbessern. Die restlichen 48 Kreise und Städte haben sich, teils erheblich, verschlechtert. Nur noch sieben der Kommunen befinden sich jetzt in der ersten Hälfte des Rankings.

Stadt oder Kreis Platzierung 2014 Platzierung 2016
Landkreis München 1 1
Erlangen-Höchstadt 2 11
Erlangen 3 26
Main-Taunus-Kreis 4 3
Starnberg 5 2
Leverkusen 68 ↓ 213
Gütersloh 75 ↓ 155
Rheinisch-Bergischer Kreis 91 ↓ 180
Olpe 104 ↓ 224
Warendorf 106 ↓ 256
Siegen-Wittgenstein 109 ↓ 254
Remscheid 147 ↓ 360
Düsseldorf 164 ↑ 75
Hamm 341 ↓ 394
Dortmund 346 ↓ 387
Duisburg 367 ↓ 402
Oberhausen 370 ↓ 396
Herne 384 ↓ 398
Gelsenkirchen 391 ↓ 401
Stendal 398 376
Mecklenburgische Seenplatte 399 308
Halle (Saale) 400 389
Uckermark 401 336
Mansfeld-Südharz 402 385

Quelle für das Jahr 2014 / Jahr 2016

Fazit

Gerade bei regionalen Vergleichen werden die großen Defizite bei der Entwicklung Nordrhein-Westfalens deutlich. Diese Studien sollte man nicht als Schwarzmalerei abtun. Niemandem in Nordrhein-Westfalen ist damit geholfen, wenn Zahlen umgedeutet oder nur einzelne Untersuchungsergebnisse isoliert betrachtet werden.

Die CDU Nordrhein-Westfalen fordert deshalb dazu auf, die Untersuchungsergebnisse ernst zu nehmen und beispielsweise den Breitbandausbau flächendeckend voranzutreiben, um im regionalen Vergleich nicht noch weiter zurückzufallen. Aufgrund der Höhe des Investitionsbedarfs müssen Fördermittel der EU und des Bundes vollständig abgerufen und gezielter eingesetzt werden. Weiterhin ist eine Überarbeitung des Förderprogramms der NRW.Bank notwendig. Eine vitale und sich selbst verstärkende StartUp-Szene muss stärker in den Fokus der Landesregierung rücken. StartUps müssen von unnötiger Bürokratie befreit und durch ein Konzept zur Gewinnung von mehr privatem Kapital zusätzlich gefördert werden. Der Landesentwicklungsplan, an dem die Landesregierung seit sechs Jahren arbeitet, muss endlich fertiggestellt werden.

Nachdem die ersten beiden Entwürfe als beschäftigungs- und wachstumsfeindlich von Kommunen und Wirtschaft abgelehnt wurden, muss ein neuer Entwurf dazu beitragen, die seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün im Jahr 2010 verloren gegangenen Industrie- und Gewerbeflächen zu ersetzen.

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