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Rückführung von Flüchtlingen: Kraft kann Zusagen nicht halten

„Ich kann nicht eine Familie unangekündigt nachts aus dem Bett holen. Die Kinder haben gar nicht mehr die Möglichkeit, sich von ihren Klassenkameraden zu verabschieden oder auch in der Kita noch Tschüss zu sagen.“

Mit dieser Aussage auf der Pressekonferenz zum dritten nordrhein-westfälischen Flüchtlingsgipfel am 23. Oktober 2015 setzte Hannelore Kraft den Ton für die nordrhein-westfestfälische Debatte zum Thema Abschiebung.

Diese Haltung wiederholte Innenminister Ralf Jäger einen Tag später im Deutschlandfunk: „Was wir in Nordrhein-Westfalen nicht tun werden, ist, in den frühen Morgenstunden plötzlich bei irgendeiner Familie aufzutauchen, die Kinder aus dem Bett zu zerren und dann eine Abschiebung durchzuführen.“

Fakt ist:

Ein aktueller Fall aus Ibbenbüren zeigt, dass Nordrhein-Westfalen entgegen der Ankündigung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nachts abschiebt.

Eine aus Albanien stammende Familie wurde morgens um 3:15 Uhr abgeholt. Wie die Ministerpräsidentin sagen würde, „nachts aus dem Bett geholt.“ Die sechsköpfige Familie aus Ibbenbüren wurde direkt in ihr Heimatland abgeschoben.

Die Familie gehörte zu den vielen tausend Balkan-Flüchtlingen, die in Deutschland versuchen, Asyl zu beantragen, aufgrund der Einstufung ihres Heimatlandes als sicheres Herkunftsland aber abgelehnt werden. Die Familie wusste, dass sie nicht dauerhaft in Deutschland bleiben konnte.

Dass die Familie nach mehrfachen Aufforderungen zur Ausreise zurückzuführen ist, der genaue Zeitpunkt aber von den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (z.B. Flugzeiten) bestimmt wird, hätte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auch schon am 23. Oktober wissen müssen. Nun muss sie zurückrudern. Dem WDR sagte sie: „Ich habe zugesagt, dass ich nicht möchte, dass Familien nachts aus dem Schlaf geholt werden. Das kann ich im Moment noch nicht garantieren. Wir sind dabei, ein neues Management auf den Weg zu bringen.“

Damit die Aussage von Hannelore Kraft dennoch Gültigkeit bekommen soll, erließ Innenminister Ralf Jäger am 6. November 2015 einen Erlass, mit dem er die kommunalen Ausländerbehörden dazu verpflichtet, dass bei Vorliegen von besonderen humanitären Gesichtspunkten (bspw. bei Familien mit Kindern) nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben gem. § 59 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz wie folgt verfahren werden soll: „Vor dem geplanten Abschiebetermin sind die Betroffenen nochmals unmissverständlich darüber zu informieren, dass ihre Abschiebung zeitnah bevorsteht.“

Mit diesem Hinweis bekommen Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, die Möglichkeit, die Abschiebung zu verhindern, z.B. in dem sie ein ärztliches Attest vorlegen. Damit unterläuft Innenminister Ralf Jäger das verschärfte Bundesgesetz.

Zur Erläuterung: Rückführungsverfahren

Wird ein Asylverfahren negativ beschieden, ist die Abschiebung das letzte Instrument bzw. Zwangsmittel der Behörden, mit dem der unrechtmäßige Aufenthalt in Deutschland beendet werden kann. Bevor diese Praxis jedoch Anwendung findet, werden beispielsweise Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern mehrfach aufgefordert, das Land freiwillig zu verlassen. Geschieht dies nicht, sind die Kreise für das weitere Vorgehen verantwortlich. Dies beinhaltet u.a., dass der genaue Abschiebungstag nicht ankündigt wird. Das neue Asylrechtsgesetz sieht nach den aktuellen Änderungen sogar vor, dass der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden darf.

Respekt und Anerkennung

Die Beamten, die die Rückführung durchführen müssen, stehen unter großem psychischen Druck. Keinem von ihnen fällt es leicht, Menschen des Nachts aus einer schon fast vertrauten Umgebung herauszureißen und sie in ihr Heimatland zurückzuführen. Für ihre Arbeit haben die Beamten Respekt und Anerkennung verdient. Mit Ankündigungen wie von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wird die Position der Beamten nicht gestärkt.

Fazit

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Innenminister Ralf Jäger haben mit ihren Ausführungen für viel Verwirrung bei allen Beteiligten gesorgt und ein Bild bei den Menschen im Land erzeugt, das nicht der Realität entspricht und gleichzeitig die im Bund beschlossene Gesetzeslage unterläuft. Das ist in dieser aktuellen Situation, in der eigentlich Einigkeit darüber herrscht, dass diejenigen, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, unsere Land wieder verlassen müssen, das falsche Signal. Zudem werden so benötigte Kapazitäten unnötig eingeschränkt.

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